Montag, 30. März 2009

Heinrich Heine über Revolution und Zögerlichkeit

Nur damals und während den Tagen des Hambacher Festes hätte mit einiger Aussicht guten Erfolges die allgemeine Umwälzung in Deutschland versucht werden können. Jene Hambacher Tage waren der letzte Termin, den die Göttin der Freiheit uns gewährte; die Sterne waren günstig; seitdem erlosch jede Möglichkeit des Gelingens. Dort waren sehr viele Männer der Tat versammelt, die selber von ernstem Willen glühten und auf die sicherste Hülfe rechnen konnten. Jeder sah ein, es sei der rechte Moment zu dem großen Wagnis, und die meisten setzten gerne Glück und Leben aufs Spiel... Wahrlich, es war nicht die Furcht, welche damals nur das Wort entzügelte und die Tat zurückdämmte. - Was war es aber, was die Männer von Hambach abhielt, die Revolution zu beginnen?

Ich wage es kaum zu sagen, denn es klingt unglaublich, aber ich habe die Geschichte aus authentischer Quelle, nämlich von einem Mann, der als wahrheitsliebender Republikaner bekannt und selber zu Hambach in dem Komitee saß, wo man über die anzufangende Revolution debattierte; er gestand mir nämlich im Vertrauen: Als die Frage der Kompetenz zur Sprache gekommen, als man darüber stritt, ob die zu Hambach anwesenden Patrioten auch wirklich kompetent seien, im Namen von ganz Deutschland eine Revolution anzufangen, da seien diejenigen, welche zur raschen Tat rieten, durch die Mehrheit überstimmt worden, und die Entscheidung lautete: man sei nicht kompetent.
O Schilda, mein Vaterland!

(...)

Ist diese Geschichte nicht wert, mit goldenen Buchstaben auf Samt gestickt zu werden? (...) Ich möchte sie jedenfalls in Verse bringen und in Musik setzen lassen, damit sie großen Königskindern als Wiegenlied vorgesungen werde... Ihr könnt ruhig schlafen, und zur Belohnung für das furchtheilende Lied, das ich euch gesungen, ihr großen Königskinder, ich bitte euch, öffnet die Kerkertüren der gefangenen Patrioten... Ihr habt nichts zu riskieren, die deutsche Revolution ist noch weit von euch entfernt, gut Ding will Weile, und die Frage der Kompetenz ist noch nicht entschieden...
O Schilda, mein Vaterland!

aus Heinrich Heine: "Ludwig Börne. Eine Denkschrift"

Das Buch entstand 1840, acht Jahre später gab es noch einmal so eine Gelegenheit. Und wieder fühlte man sich nicht kompetent.

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